Am 25 Nowember wurde neue Ausstellung "unterwegs"
in der Galerie am Arkonaplatz in Berlin eröffnet.
Zur Eröffnung sprach Frau Sanna Böswirth.
Hier sind einige Sätze aus der Rede:
Liebe Freunde der Malerei, es ist mir heute eine große Freude Ihnen
den Maler Michail Schnittmann vorzustellen und ein paar einführende
Worte zu seinen neuesten Bildern zu sagen.
Die Bilder sind teilweise abstrakt, teilweise erkennen wir darauf
Umrisse. Formen von Tierkörpern, Stierköpfe, Blumenbeete oder weibliche
Akte. Andere Bilder bleiben im Unbestimmten, bzw. wir können darauf
das erkennen, was uns die eigene Phantasie vorgibt. Dem Maler ist
es wichtig, einzelne Formen zu verdeutlichen, sie aber teilweise im
Verborgenen zu lassen, Damit sie sich erst im Kopf des Betrachters
vollenden.
Der Arbeitsprozess bei Schnittmann ist komplex und unterschiedlich
in der Ausführung. Insgesamt ergibt sich ein skizzenhafter Eindruck,
wo nichts in eine endgültige Form gepresst wird. Hier entwickelt sich
alles aus dem Moment, der einzigartig und unwiederholbar ist oder
mit anderen Worten: Die Bilder machen den Prozess der schöpferischen
Inspiration nachvollziehbar. Die Ergebnisse wirken am Ende oft wie
organische oder mineralische Strukturen, welche eben zufällig eine
bestimmte Form angenommen haben. Alles ist im Werden oder im Übergang,
um sich erst in der Wahrnehmung des Betrachters zu vollenden. Diese
Arbeitsmethode entspricht einer sehr alten Vorgehensweise für die
ich Ihnen hier nur drei berühmte Beispiele bringen möchte. |

|
Der Surrealist Max Ernst erfand die Technik der
so genannten Frottage, zu Deutsch Abreibung, die er folgendermaßen
beschreibt:
An einem regnerischen Abend befand ich mich in einem Gasthof
an der Küste, als mich eine Besessenheit packte, die mich erregt
auf die von tausend Kratzern vertieften Furchen der Fußbodendielen
starren ließ. Ich beschloß, dem Symbolismus dieser Besessenheit
nachzugehen, und um meine meditativen und halluzinatorischen Möglichkeiten
zu unterstützen, machte ich von den Brettern eine Reihe Zeichnungen,
indem ich willkürlich einige Blätter Papier auf sie legte, über
die ich dann mit schwarzen Bleistift zu reiben begann. Als ich aufmerksam
auf die so erhaltenen Zeichnungen blickte, die dunklen Stellen und
andere von zartem lichten Halbdunkel, überraschte mich die plötzliche
Intensivierung meiner visionären Fähigkeiten und die halluzinatorische
Folge der gegensätzlichen Bilder…
|
 |
|
Ein weiteres berühmtes Beispiel für die
Zufallskunst ist eine Passage in Leonardo da Vincis Malereitraktat.
Darin fordert er den Leser auf, in Mauerflecken Bilder zu erkennen:
Ich werde nicht ermangeln (…) eine neu erfundene Art des Schauens
herzusetzen, die sich zwar klein und fast lächerlich ausnehmen mag,
nichtsdestoweniger aber doch sehr brauchbar ist, den Geist zu verschiedenerlei
Erfindungen zu wecken. Sie besteht darin, dass du auf manche Mauern
hinsiehst, die mit allerlei Flecken bekleckst sind, oder auf Gestein
von verschiedenem Gemisch. Hast du irgendeine Situation zu erfinden,
so kannst du da Dinge erblicken, die diversen Landschaften gleich
sehen, geschmückt mit Gebirgen, Flüssen, Felsen Bäumen, großen Ebenen,
Tal und Hügeln in mancherlei Art. Auch kannst du da allerlei Schlachten
sehen, sonderbare fremdartige Figuren, Gesichtsmienen, Trachten und
unzählige Dinge, die Du in vollkommene und gute Form bringen magst
Freilich muss es der Maler verstehen, sowohl Körper als auch Landschaften
mit dem Pinsel zu malen, um diese Phantasien fruchtbar umzusetzen
|
Das dritte Beispiel stammt
aus der griechischen Antike und ist eine der berühmten Maleranekdoten
aus der Naturgeschichte von Plinius dem Älteren. Sie handelt von der
Entstehung einer Tafel des Malers Protogenes:
Auf diesem Bild befindet sich ein wunderbar gemalter Hund, da ja
an ihm in gleicher Weise ein glücklicher Zufall mitgewirkt hat. Er
(Protogenes) meinte auf dem Bild den Schaum des keuchenden Hundes
nicht recht darstellen zu können, während er doch in jedem anderen
Teil - was sehr schwierig war - sich selbst Genüge getan habe. Die
Künstelei selbst jedoch missfiel ihm: sie konnte nicht gemindert werden
und schien allzu groß und weit von der
Naturtreue entfernt zu sein, da der Schaum wie gemalt aussah, jedoch
nicht wie aus dem Maule entstanden. In ängstlicher Seelenpein, da
in der Malerei das Wahre, nicht aber das der Wahrheit Ähnliche enthalten
sein solle, hatte er den Schaum öfters abgewischt und den Pinsel gewechselt,
war aber keineswegs mit sich zufrieden. Schließlich warf er aus Zorn
über die Künstelei, weil man sie erkenne, einen Schwamm
auf die verhasste Stelle der Tafel. Dieser trug die abgewischten Farben
wieder so auf, wie es sein Bemühen gewünscht hatte, und so hat in
der Malerei der Zufall die Naturwahrheit geschaffen.
|
|
 |
In allen drei Beispielen spielt der Zufall
eine entscheidende Rolle. Seien es die Kratzer in den Fußbodendielen
eines Gasthauses, welche Max Ernst zu seiner Technik der Frottage
inspirierten oder die zufälligen Flecken an der Mauer, die Leonardo
da Vincis vertieftes Interesse erregten oder wie im letzten Beispiel
die spontane Bewegung des Protogenes, als er verärgert den Schwamm
auf die Leinwand feuerte. In jedem Fall stellt sich das Ergebnis durch
ein absichtsloses Ereignis ein, ein Ereignis eben, das einem zugefallen
ist.
In der Kreativitätsforschung wird dem Eintreffen des Zufalls ein hoher
Stellenwert beigemessen. Sein Eintreffen hängt wesentlich davon ab,
wie sehr unsere Erlebnisbereitschaft dafür offen ist, dem unvorhersehbaren
Vorfall unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Denn es wird nur das als
Zufall bewusst, was für den einzelnen eine mehr oder weniger große
Bedeutung besitzt. Erst das Bedeutsame macht das unerwartete Ereignis
zum Zufall. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer unbewussten
Wahl. |
|
|
|
|
|