Ausstellung "unterwegs" 2007-2008
Galerie am Arkonaplatz, Berlin.

Am 25 Nowember wurde neue Ausstellung "unterwegs" in der Galerie am Arkonaplatz in Berlin eröffnet.

Zur Eröffnung sprach Frau Sanna Böswirth.
Hier sind einige Sätze aus der Rede:

Liebe Freunde der Malerei, es ist mir heute eine große Freude Ihnen den Maler Michail Schnittmann vorzustellen und ein paar einführende Worte zu seinen neuesten Bildern zu sagen.
Die Bilder sind teilweise abstrakt, teilweise erkennen wir darauf Umrisse. Formen von Tierkörpern, Stierköpfe, Blumenbeete oder weibliche Akte. Andere Bilder bleiben im Unbestimmten, bzw. wir können darauf das erkennen, was uns die eigene Phantasie vorgibt. Dem Maler ist es wichtig, einzelne Formen zu verdeutlichen, sie aber teilweise im Verborgenen zu lassen, Damit sie sich erst im Kopf des Betrachters vollenden.

Der Arbeitsprozess bei Schnittmann ist komplex und unterschiedlich in der Ausführung. Insgesamt ergibt sich ein skizzenhafter Eindruck, wo nichts in eine endgültige Form gepresst wird. Hier entwickelt sich alles aus dem Moment, der einzigartig und unwiederholbar ist oder mit anderen Worten: Die Bilder machen den Prozess der schöpferischen Inspiration nachvollziehbar. Die Ergebnisse wirken am Ende oft wie organische oder mineralische Strukturen, welche eben zufällig eine bestimmte Form angenommen haben. Alles ist im Werden oder im Übergang, um sich erst in der Wahrnehmung des Betrachters zu vollenden. Diese Arbeitsmethode entspricht einer sehr alten Vorgehensweise für die ich Ihnen hier nur drei berühmte Beispiele bringen möchte.


Der Surrealist Max Ernst erfand die Technik der so genannten Frottage, zu Deutsch Abreibung, die er folgendermaßen beschreibt:

An einem regnerischen Abend befand ich mich in einem Gasthof an der Küste, als mich eine Besessenheit packte, die mich erregt auf die von tausend Kratzern vertieften Furchen der Fußbodendielen starren ließ. Ich beschloß, dem Symbolismus dieser Besessenheit nachzugehen, und um meine meditativen und halluzinatorischen Möglichkeiten zu unterstützen, machte ich von den Brettern eine Reihe Zeichnungen, indem ich willkürlich einige Blätter Papier auf sie legte, über die ich dann mit schwarzen Bleistift zu reiben begann. Als ich aufmerksam auf die so erhaltenen Zeichnungen blickte, die dunklen Stellen und andere von zartem lichten Halbdunkel, überraschte mich die plötzliche Intensivierung meiner visionären Fähigkeiten und die halluzinatorische Folge der gegensätzlichen Bilder…

Ein weiteres berühmtes Beispiel für die Zufallskunst ist eine Passage in Leonardo da Vincis Malereitraktat. Darin fordert er den Leser auf, in Mauerflecken Bilder zu erkennen:

Ich werde nicht ermangeln (…) eine neu erfundene Art des Schauens herzusetzen, die sich zwar klein und fast lächerlich ausnehmen mag, nichtsdestoweniger aber doch sehr brauchbar ist, den Geist zu verschiedenerlei Erfindungen zu wecken. Sie besteht darin, dass du auf manche Mauern hinsiehst, die mit allerlei Flecken bekleckst sind, oder auf Gestein von verschiedenem Gemisch. Hast du irgendeine Situation zu erfinden, so kannst du da Dinge erblicken, die diversen Landschaften gleich sehen, geschmückt mit Gebirgen, Flüssen, Felsen Bäumen, großen Ebenen, Tal und Hügeln in mancherlei Art. Auch kannst du da allerlei Schlachten sehen, sonderbare fremdartige Figuren, Gesichtsmienen, Trachten und unzählige Dinge, die Du in vollkommene und gute Form bringen magst

Freilich muss es der Maler verstehen, sowohl Körper als auch Landschaften mit dem Pinsel zu malen, um diese Phantasien fruchtbar umzusetzen
Das dritte Beispiel stammt aus der griechischen Antike und ist eine der berühmten Maleranekdoten aus der Naturgeschichte von Plinius dem Älteren. Sie handelt von der Entstehung einer Tafel des Malers Protogenes:

Auf diesem Bild befindet sich ein wunderbar gemalter Hund, da ja an ihm in gleicher Weise ein glücklicher Zufall mitgewirkt hat. Er (Protogenes) meinte auf dem Bild den Schaum des keuchenden Hundes nicht recht darstellen zu können, während er doch in jedem anderen Teil - was sehr schwierig war - sich selbst Genüge getan habe. Die Künstelei selbst jedoch missfiel ihm: sie konnte nicht gemindert werden und schien allzu groß und weit von der
Naturtreue entfernt zu sein, da der Schaum wie gemalt aussah, jedoch nicht wie aus dem Maule entstanden. In ängstlicher Seelenpein, da in der Malerei das Wahre, nicht aber das der Wahrheit Ähnliche enthalten sein solle, hatte er den Schaum öfters abgewischt und den Pinsel gewechselt, war aber keineswegs mit sich zufrieden. Schließlich warf er aus Zorn über die Künstelei, weil man sie erkenne, einen Schwamm auf die verhasste Stelle der Tafel. Dieser trug die abgewischten Farben wieder so auf, wie es sein Bemühen gewünscht hatte, und so hat in der Malerei der Zufall die Naturwahrheit geschaffen.



In allen drei Beispielen spielt der Zufall eine entscheidende Rolle. Seien es die Kratzer in den Fußbodendielen eines Gasthauses, welche Max Ernst zu seiner Technik der Frottage inspirierten oder die zufälligen Flecken an der Mauer, die Leonardo da Vincis vertieftes Interesse erregten oder wie im letzten Beispiel die spontane Bewegung des Protogenes, als er verärgert den Schwamm auf die Leinwand feuerte. In jedem Fall stellt sich das Ergebnis durch ein absichtsloses Ereignis ein, ein Ereignis eben, das einem zugefallen ist.

In der Kreativitätsforschung wird dem Eintreffen des Zufalls ein hoher Stellenwert beigemessen. Sein Eintreffen hängt wesentlich davon ab, wie sehr unsere Erlebnisbereitschaft dafür offen ist, dem unvorhersehbaren Vorfall unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Denn es wird nur das als Zufall bewusst, was für den einzelnen eine mehr oder weniger große Bedeutung besitzt. Erst das Bedeutsame macht das unerwartete Ereignis zum Zufall. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer unbewussten Wahl.